Abgerissene Kommunikationsstränge in die Gesellschaft mit modernen Werkzeugen erneuern und Deutungshoheit über agrarische Themen wieder erlangen – DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer zum Auftakt der DLG-Unternehmertage in Mannheim
(DLG). „Die Landwirtschaft hat die Gesellschaft bei der Modernisierung ihrer Branche nicht mitgenommen. Diese Gesellschaft weiß nicht, dass wir mit moderner Technik und neuesten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis die Produktivität knapper Faktoren zu ihrem Nutzen steigern und dadurch zum Nutzen von Landschaft und Biodiversität beitragen. Daher muss sich die Landwirtschaft schleunigst aus dieser Informations- Sackgasse befreien.“ Dies erklärte der Präsident der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) Carl-Albrecht Bartmer zum Auftakt der DLG-Unternehmertage am 5. September 2012 in Mannheim. Wie der DLG-Präsident weiterhin bemerkte, ist die Brücke des gegenseitigen Verstehens zwischen ländlichem Raum und urbanen Zentren nicht in dem Tempo mitgewachsen, in dem Menschen ihren Lebensmittelpunkt in die Städte verlagert haben. Die alten, klassischen Kommunikationsstränge dörflicher Gemeinschaften seien vielfach abgerissen und nicht ersetzt worden „aus Überforderung des schlepperfahrenden Alleinunternehmers, aus Bequemlichkeit und weil wir diese Aufgaben an Verbände und Fachorganisationen übertragen haben“. Deren Position gegenüber der Gesellschaft bezeichnete der DLG-Präsident aber als schwierig. „Sie werden von wirtschaftlichen Interessen geleitet wahrgenommen, ganz anders als die ‚Bodes‘ und ‚Wieners‘, die voller emotionaler Betroffenheit als moderne Robin Hoods eine bessere, gerechtere, naturbelassenere Welt versprechen“, betonte Bartmer.
Der DLG-Präsident forderte daher dazu auf, die abgerissenen Kommunikationsstränge durch neue, modernere zu ersetzen und damit auch die Deutungshoheit über agrarische Themen wieder zu gewinnen. „Gerade Landwirte sind umfänglich eingebunden in lokale Strukturen, in kommunale Parlamente, Vereine, Kirchen und diverse Freundeskreise. Gerade dort sind wir glaubwürdig, weil wir als vertrauensvolle und authentische Persönlichkeiten wahrgenommen werden. Wir sind unmittelbar mit den konkreten Produktionsprozessen vertraut und können diese nachvollziehbar begründen“, so Bartmer. Seiner Ansicht nach kann die Akzeptanz der Bevölkerung nur dann erlangt werden, wenn „wir die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft als ureigene, nicht weg zu delegierende Aufgabe verstehen“.
Der DLG-Präsident sieht die Notwendigkeit für ein erweitertes Kompetenzprofil des landwirtschaftlichen Unternehmers. Gerade in einer zunehmend komplexen und vernetzten Welt müssen seiner Meinung nach kommunikative Fähigkeiten neben klassische Unternehmerkompetenzen treten. „Diese sollen insbesondere auch dazu befähigen, im Vorfeld unternehmerischen Wirkens gesellschaftliche Bedürfnisse in den Produktionsprozess zu integrieren.“ Für Bartmer muss Kommunikation integraler Bestandteil eines erfolgreichen Unternehmenskonzepts sein. „Kommunikation ist Chefsache.“ Dies gelte insbesondere für kritische Themen in der Tierhaltung, beim Pflanzenschutz, bei modernen Züchtungstechnologien. Frühzeitig aufgegriffen und bearbeitet, könnten sie konstruktive Diskurse mit dem gesellschaftlichen Umfeld auslösen. Der DLG-Präsident zeigte sich davon überzeugt, dass es in manch verminter Diskussion gerade im regionalen Umfeld eines kommunikationsintensiven Landwirts Lösungen gibt, die gesellschaftliche Akzeptanz und technischen Fortschritt zugleich ermöglichen.
Wenn sich eine zunehmend urbaner werdende Gesellschaft in ihren Ansprüchen, aber auch in ihrem Kommunikationsverhalten ändert, müsse sich das Instrumentarium der Landwirte anpassen. „Wir müssen uns auch auf dem Wege Internet und Social Media auf die Gesellschaft zubewegen“, forderte Bartmer die Landwirte auf. „Bilder und Informationen über den Betrieb, Storys darüber, was im Moment auf den Feldern gemacht wird sowie Informationen über das, was die Landwirtsfamilie sorgt und was sie freut, eben was das regionale Umfeld interessiert, können helfen, Verständnis und Vertrauen zu wecken. „Wenn nur jeder dritte Landwirt in Deutschland so ein Medium nutzt, haben wir 100.000 Sprecher und Multiplikatoren, die für Akzeptanz von moderner nachhaltiger Landwirtschaft als Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung werben“, erklärte der DLG-Präsident. Es sei an der Zeit, „dass wir unser Unternehmerbild neben ausgefeilter Produktionstechnik und ökonomischer Finesse um diesen Faktor erweitern. Kommunikation ist das Instrument für die Akzeptanz der Landwirtschaft in der Gesellschaft, und diese Akzeptanz ist letztlich unsere Berechtigung zum Wirtschaften am Standort Deutschland in Europa.“